Dachverband der Geowissenschaften

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Mineralische Rohstoffe für Energie- und Mobilitätswende: kritische Forschungsfelder

Durch die aktuellen Krisen wie dem Ukraine-Konflikt oder den zunehmenden Rohstoffbedarf Chinas, ist die Versorgungssicherheit der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen und Energie derzeit wieder in den Fokus der breiteren Öffentlichkeit gerückt. Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, der fortschreitenden Industrialisierung, der wachsenden Nachfrage in Entwicklungs- und Schwellenländern und der Umsetzung der Klimaziele in vielen Ländern stehen uns zudem langfristig weitere große Herausforderungen bevor. Hier sind beispielsweise mineralische Rohstoffe wie Kupfer, Lithium, Nickel, Seltene Erden, aber auch Stahl und Zement hervorzuheben. Diese werden in immer größeren Mengen benötigt. In einem Symposium des DVGeo am 26. Mai wurde diese Thematik von deutschen und internationalen Expert:innen umfassend beleuchtet.

Dr. Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Energie- und Rohstoffagentur DERA zeigt in seinem Einführungsvortrag die strategisch-relevanten Entwicklungen im Rohstoffsektor auf:

China wird bis Mitte des 21. Jh. die Rohstoffmärkte aufgrund der hohen Rohstoffnachfrage weiter dominieren und in die internationalen Rohstoffmärkte expandieren. Diese Entwicklung kann z.B. bei Kupfer, Bauxit und Eisenerz beobachtet werden. Der Rohstoffbedarf für Schlüssel- und Zukunftstechnologien wird sich für einzelne Rohstoffe vervielfachen, eine Entwicklung, die man bei Lithium beobachten kann. Der Zugriff auf diese Rohstoffe muss langfristig gesichert sein. Dabei gibt es bei Rohstoffproduktion und -handel teilweise nur wenige Anbieter - eine breitere Diversifizierung wäre dringend erforderlich, um mögliche neue Handelskonflikte zu vermeiden. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass derzeit 14 Länder über 86 % der weltweiten mineralischen Rohstoffproduktion abdecken.

Wie Mineral Systems Analysis dabei helfen kann, Lagerstätten zu finden berichtet Prof. Dr. Mathias Burisch von der Colorado School of Mines. Grundsätzlich sind immer viele unterschiedliche Informationen, z.B. zur Geochronologie oder dem plattentektonischen Setting, notwendig um Lagerstätten zu finden. Im Gegensatz zu der früher oft isoliert betrachteten Lagerstätte, basiert die Mineral Systems Analysis auf einer ganzheitlichen Betrachtung des jeweiligen lagerstättenbildenenden Systems und erhöht die Chancen für Neuentdeckungen. Lücken in der Explorationsmatrix können durch zielgerichtete Forschung geschlossen werden. Dieses Vorgehen bietet laut Hr. Burisch auch in Deutschland das Potenzial für Neuentdeckungen.

Dr. Carsten Laukamp von der Commonwealth Scientific an Industrial Research Organisation zeigt am Beispiel Australien, dass möglichst flächendeckende Datensätze unterschiedlichster Methoden die Erfolgsquote beim Auffinden rohstoffhöffiger Gebiete wesentlich steigern können. Australien greift dabei u. a. auf Mosaikbilder kontinentaler Mineralogie, satellitengestützte Erkundungen von Lithium- und Seltene Erden Vorkommen, umfangreiche Bohrkernlager und digitale geophysikalische 3-D Modelle zurück. Positiv für Australien wirkt sich auch der freie Zugang zu den Daten und ihre gute Auffindbarkeit aus. Hinsichtlich dieses methodischen Ansatzes könnte man Deutschland als untererkundet betrachten.

Einen Einblick in die Herausforderungen, die sich bei einer möglichen Gewinnung von Rohstoffen in der Tiefsee ergeben, gewährt Prof. Dr. Andrea Koschinsky von der Constructor University Bremen. Auch wenn klar ist, dass sowohl der Abbau an Land als auch im Wasser Auswirkungen auf die Umwelt hat, muss man auch hier differenzieren: je nach Rohstoff hätte ein Abbau unterschiedliche Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme. Bei den Manganknollen und Mangankrusten sind die Auswirkungen möglicherweise eher großflächig und langfristiger während sie bei den Massisvsulfiden vermutlich eher zeitlich und räumlich begrenzt sind. Problematisch können eventuell synergistische Effekte des Tiefseebergbaus mit anderen Stressoren im System Ozean (wie Klimawandel, Verschmutzung und Übernutzung der biologischen Ressourcen) sein. Andererseits könnten fragile Ökosysteme an Land und indigene Völker durch marinen Bergbau entlastet werden. Die Studienlage zu den Vorteilen/Nachteilen eines marinen Bergbaus z.B. hinsichtlich Treibhausgase ist sehr uneinheitlich.

Dr. Max Frenzel vom Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gibt einen Überblick über die Geometallurgie. Diese kann mit Planung und Überwachung der Ausbeutung eines Erzes zu einer Effizienzsteigerung im Bergbau beitragen. Dabei wird die gesamte Prozesskette betrachtet. Die wichtigsten Kennziffern bezüglich der Effizienz sind die Energie- und Materialverbräuche, das Ausbringen der Zielrohstoffe sowie die Umweltauswirkungen. Zur Optimierung des Workflows ist eine Entwicklung hin zu mineralogie- und gefügebasierten Methoden und Modellen zusammen mit einer realistischen Quantifizierung von Unsicherheiten notwendig. Großer Forschungsbedarf besteht sowohl bei der Grundlagenforschung hinsichtlich verschiedenster Modelle, die Gefügeeigenschaften berücksichtigen als auch bei Anwendungen, wie schnelle, kostengünstige 2D/3D Analytik bezüglich Mineralogie/Gefüge sowie stochastische Optimierung.

Die Nachverfolgbarkeit von mineralischen Rohstoffen ist möglich, wie Dr. Frank Melcher von der Montanuniversität Leoben in seinem Vortrag zeigt. Ein Herkunftsnachweis wurde bereits für einige Metalle und Edelsteine (z.B. für Ta, Sn, W, Coltan, Gold, Diamant, Platinerze) wie auch für das Industriemineral Graphit entwickelt. Dazu benötigt man eine Kombination aus verschiedenen geowissenschaftlichen und statistischen Methoden – so kann man entweder die Herkunft nachweisen oder bestimmte Gebiete ausschließen. Neben dem Herkunftsnachweis von Erzen bzw. Erzkonzentraten konnten auch bereits Methoden zum Nachweis der Rohstoffherkunft in Teillieferketten entwickelt werden.

Auch wenn die Vorträge deutlich die Relevanz von mineralischen Rohstoffen für die Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende gezeigt haben, werden immer noch sinkende Studierendenzahlen in den Geowissenschaften verzeichnet – ein Umstand, der in der nachfolgenden Diskussion zur Sprache kam. Die Universitäten bemühen sich, diese Entwicklung durch neue Schwerpunktsetzung ihrer Institute aufzuhalten. Als Ursachen werden die nicht ausreichende Vermittlung geowissenschaftlicher Inhalte in dem Schulfach Geografie sowie ein leicht veraltetes Image der Geowissenschaften gesehen. Hier besteht Handlungsbedarf, um auch zukünftig die notwendige geowissenschaftliche Kompetenz u.a. in den Bereichen Versorgungssicherheit mit primären und sekundären Rohstoffen sowie Ressourcenschonung zu sichern.

Die Veranstaltung fand großen Zuspruch, u.a. auch aus den Reihen von Bundes- und Landespolitik sowie NGOs, die über 15% der Anmeldungen ausmachten.